Fachbeiträge
08.06.2017

Barwertverfahren – Eine kurze Kritik

Im M&A Geschäft gleicht kein Projekt dem anderen, dies ist einer der vielen Gründe der unsere Arbeit so spannend macht. Bei all den Unterschieden zwischen den einzelnen Projekten beim Unternehmensverkauf gibt es jedoch einen Vorgang, ohne den keine unserer Transaktionen funktionieren würde. Dies ist die Unternehmensbewertung. Egal ob es um einen Unternehmensverkauf geht oder ein Mandant sein Unternehmen durch einen Zukauf erweitern möchte, immer stellt sich die Frage wie viel das betrachtete Unternehmen eigentlich wert ist.

Es existieren viele verschiedene Methoden zur Berechnung des korrekten Unternehmenswertes. Hierbei hat sich im Laufe der Jahre besonders die finanzmathematische Unternehmensbewertung mittels sogenannter Barwertverfahren durchgesetzt. Hierbei werden erwartete zukünftige Zahlungsströme um die erwarteten durchschnittlichen Kapitalkosten aller Kapitalgeber abgezinst.

Dieses in der Theorie sehr einfache Verfahren, bringt in der Praxis jedoch einige erhebliche Probleme mit sich. So müssen für die Berechnung die sogenannten Eigenkapitalkosten bekannt sein. Hierbei handelt es nicht um tatsächlich anfallende Kosten, sondern um die von Seiten der Unternehmenseigentümer (z.B. Aktionäre) mindestens geforderte Rendite. Sollte die Rendite vom Unternehmen nicht erreicht werden, so wäre es für die Eigentümer vorteilhafter ihr Kapital in andere Anlagen, z.B. Staatsanleihen zu investieren. Sie würden daher Ihr Kapital aus dem Unternehmen abziehen. Diese Eigenkapitalkosten können allerdings nicht direkt bestimmt werden, es muss sich daher mit mehr- oder minder genauen Modellen geholfen werden. Eine verbreitete Methode ist die Bestimmung dieser Kosten mithilfe des Capital Asset Pricing Models (CAPM). Bei diesem setzen sich die Eigenkapitalkosten durch einen Basiszins (eine sicher zu erzielende Rendite, beispielsweise sehr sichere Staatsanleihen) und einen Risikozuschlag zusammen.

Genau in dieser Zusammensetzung liegt die größte Schwäche der Barwert-Bewertungsverfahren. So kann der Basiszinssatz nur auf kurze Frist vorhergesagt werden. Vor wenigen Jahren hätte z.B. niemand ernsthaft gedacht, dass Anleger irgendwann bereit sein würden negative Zinsen für deutsche Staatsanleihen zu zahlen. Bedenkt man, welch starken Einfluss eine Änderung des Basiszinssatzes um nur wenige zehntel-Prozent auf das Bewertungsergebnis hat, erkennt man die Schwierigkeit bei der Prognose des Basiszinssatzes.

Ähnlich verhält es sich mit dem Risikozuschlag. Dieser sagt aus, dass Investoren durchaus bereit sind Risiken zu übernehmen, solange sie hierfür entsprechend höhere Renditen erhalten. Das CAPM berechnet diesen Zuschlag durch die Multiplikation der erwarteten Marktrendite mit dem Risikofaktor (genannt Beta). Der Betafaktor beschreibt das Risiko des Gesamtmarktes, d.h. inwiefern die Rendite eines Unternehmens mit dem Gesamtmarkt korreliert. Hierbei wird untersucht, wie sich der Aktienkurs eines Unternehmens im Vergleich zum Gesamtmarkt verhält. Das unsystematische Risiko, also das individuelle Unternehmensrisiko, wird überhaupt nicht betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass ein Investor perfekt rational handelt und sein Geld gleichmäßig im gesamten Markt investiert hat. Auf die Praxis übertragen bedeutet dies, dass davon ausgegangen wird, dass ein durchschnittlicher Anleger Aktien eines jeden Unternehmens des gesamten Marktes hält. In der Realität bedarf es keinerlei ausgeprägten Finanz-Kenntnisse um festzustellen, dass diese Annahme auf dem realen Markt völlig unrealistisch ist.

Erschwerend kommt hinzu, dass selbst unter den im CAPM getroffenen Annahmen der Betafaktor nur für Aktiengesellschaften berechnet werden kann. Für ein Unternehmen, dessen Anteile nicht öffentlich gehandelt werden, kann schließlich kein Aktienkurs feststehen. Daher greift man bei der Bewertung eines nicht öffentlich gehandelten Unternehmens auf Vergleichswerte zurück. Allerdings ist es auch hier in der Praxis unrealistisch, dass zwei ähnliche Unternehmen eine komplett identische Risikostruktur haben. Und es kommt noch schlimmer für die Validität des CAPM: Selbst wenn man all diese Einschränkungen akzeptiert, haben Studien und Untersuchungen gezeigt, dass das tatsächliche Risiko (und die Rendite) eines Unternehmens von ganz anderen Faktoren, wie z.B. der Unternehmensgröße abhängen.

Der Unternehmenswert setzt sich unserer Meinung nach hauptsächlich aus zukünftigen Wachstumschancen, zukünftigem Risiko sowie der Ertragsstruktur des betrachteten Unternehmens zusammen. Eine Reduzierung des Unternehmenswertes auf eine reine Risikobetrachtung, für welche auch noch mehrere in der Realität unmögliche Annahmen getroffen werden müssen, erfüllt für uns nicht unsere Anforderungen an eine seriöse Unternehmensbewertung. Finanzmathematische Bewertungsverfahren sind uns nicht zu kompliziert, wir verzichten auch nicht auf sie, weil sie uns zu aufwendig sind. Vielmehr hat die Vergangenheit gezeigt, dass unsere marktbasierte Unternehmensbewertung, mit welcher wir die tatsächlichen Kaufpreise (und somit den Unternehmenswert) sehr genau vorhersagen, den derzeitig gebräuchlichen theoretischen Berechnungsverfahren überlegen ist.